Entwickle das Gefühl für einen Neuanfang – und erlaube dir, in der Umsetzung immer wieder zu scheitern

Arbeit an sich selbst

Machen Neujahrsvorsätze überhaupt Sinn? Viele Menschen fassen sich fürs neue Jahr Vorsätze, die sie dann aber übers Jahr nicht einhalten können. Wenn man neu anfangen will, und sich etwas vornimmt, dann sollten die Vorsätze nicht darauf beruhen, dass ich sage, «Ich mag den roten Ball nicht mehr, sondern vielmehr – ich will jetzt den blauen Ball!» Denn häufig können Menschen nicht neu anfangen, weil sie den Blick auf das, was sie loslassen wollen, gerichtet halten. Und wenn man sich da neu ausrichtet, dann klappt es auch mit den Neujahrsvorsätzen.

Rico Brunner, viele Menschen fassen sich auf das neue Jahr hin Vorsätze, gewisse Dinge ab jetzt anders zu machen. Was hältst du von Neujahresvorsätzen?

Neujahresvorsätze finde ich eigentlich sehr gut. Sie machen uns bewusst, dass wir wieder vor einem Neuanfang stehen – und da geht es eigentlich darum, sich bewusst damit auseinanderzusetzen, wo stehe ich, was will ich, wo gehe ich hin.

Ein neues Jahr ist ja vielfach für Menschen die Gelegenheit, ein bisschen in sich zu gehen – man kann sich weiterentwickeln und beispielsweise auch alte Verletzungen hinter sich lassen. Wie lässt man die hinter sich?

Es gibt ein ganz spannendes Phänomen und eine Zeiterscheinung in der heutigen Zeit, von der man heute sehr gerne spricht: das Loslassen. Aus meiner Arbeit mit Energiefeldern kann ich sagen: Loslassen funktioniert nicht. Warum? Ganz einfach: Wenn ich dir jetzt sage: «Denk nicht mehr an einen roten Ball», dann bekommst Du diesen roten Ball nicht mehr aus dem Kopf heraus. Und wenn du den roten Ball loslassen möchtest, dann musst du beginnen, an einen blauen Ball zu denken. Und je mehr du an den blauen Ball denkst, desto mehr siehst Du nur noch den blauen Ball – und der rote Ball verschwindet.

Und das ist der Grund, wieso viele Menschen nicht neu anfangen können, weil sie den Blick auf das, was sie loslassen wollen, gerichtet halten. Und dann nimmt man es nimmt, dann kann es nicht, ich sage mal, «zurückgelassen» werden, damit man weitergehen kann, sondern – und jetzt komme ich wieder mit dem roten Ball – der rote Ball bleibt dann im Gedächtnis. Und wenn man neu anfangen will, wenn man neue Vorsätze hat fürs neue Jahr, dann sollten diese nicht darauf beruhen, dass ich sage, «ich mag nicht mehr den roten Ball, sondern ich will jetzt den blauen Ball.» Und wenn man sich da neu ausrichtet, dann klappt es auch mit den Neujahrsvorsätzen.

Und wie arbeitest Du jetzt mit jemandem, der zwar den blauen Ball gerne haben möchte, aber bei dem dieser rote doch noch sehr präsent herumschwirrt?

Da gibt es zwei Hauptursachen dafür: Die erste ist: Wenn man die Gewohnheit hat, dass man nur den roten Ball sehen will, dann kann man sich selber mit ein wenig Disziplin und Konditionierung dazu bringen, dass man immer mehr an den blauen Ball denkt. Und das heisst, dass man sich einen Trigger setzt, dass man sich da versucht, zu erinnern, dass ich mir jedes Mal, wenn ich den roten Ball sehe, sage, «stimmt, ich will doch den blauen Ball».  Und dann kann man so langsam auf der rationalen Ebene beginnen, den roten Ball zu vergessen, weil jedes Mal, wenn man den roten Ball sieht, es die Erinnerung kommt, dass ich den blauen will. Das braucht eine gewisse Zeit und das funktioniert relativ gut.

Wo es zum Teil schwieriger werden kann, ist, wenn ich mich frage: Habe ich denn die Kraft dazu, nicht mehr an den roten Ball zu denken? Der Grossteil der Menschen, die vergangene Erlebnisse und Probleme nicht loslassen können, die keinen Richtungswechsel schaffen, haben aus meiner Erfahrung nicht die Kraft dazu, sich auf den blauen Ball zu konzentrieren, weil der rote Ball so präsent ist.

Und da setze ich mit der Energiefeldarbeit an, da schaue ich, wo die Kraft fehlt, welche Energiefelder verletzt sind, wo man überfordert ist, wo man getriggert wird. Und wenn dann die Kraft wieder stimmt, wenn man das Fundament hat, dann fällt es einem auf einmal sehr leicht, an den blauen Ball zu denken und nicht mehr an den roten.

Kannst Du da ein Beispiel geben von jemandem, der genau das eigentlich gemacht hat: Er wollte sich verändern, schaffte es aber nicht, den roten Ball loszuwerden. Wie hast Du mit diesem Menschen gearbeitet?

Also hier ging es um jemanden nach einer langjährigen Beziehung, in der er verletzt worden ist. Das ist sehr schwierig zu überwinden, weil der Person die Beziehung sehr nahe gegangen ist, weil die Verletzung und die Enttäuschung sehr gross waren. Und hier geht es in der Regel am Anfang darum, zu schauen, dass die Kraft zurückkommt, dass sich die Verletzungen wieder selber heilen können und der Mensch wieder in seine eigene Stärke findet. Und erst wenn er in die Stärke findet, kann er überhaupt wieder aus eigener Kraft beginnen, sich neu zu orientieren.

Gerade wenn die Verletzungen tief sind, fällt es sehr schwer, sich mit dem Verstand zu disziplinieren. Und darum funktionieren dann auch Aussagen vom Umfeld wie «fang doch neu an, lass sie los» nicht, weil man emotional nicht die Stärke hat, es verändern zu können. Dass man die Stärke nicht hat, kann man so vergleichen: Jemand muss 100 Kilogramm hochheben und er hat die Kraft nicht, und dann steht man daneben und sagt so lapidar: «Du, es sind ja nur hundert Kilo, jetzt heb das mal hoch!» Und der andere versucht und versucht und schafft es nicht – und da muss man auch schauen, dass man stärker wird, damit man die 100 Kilo hochheben kann.

Und im Leben ist es dasselbe: Wenn man etwas nicht verändern kann und man es will, dann hat man in der Regel die Kraft nicht dazu, weil man verletzt ist, weil man überfordert ist – und dann muss man da ansetzen.

Hat es vielleicht dann auch damit zu tun, dass man sich zu hohe Ziele steckt?

Aus meiner Sicht nicht. Hohe und zu hohe Ziele stecken, ist aus meiner Sicht eher positiv. Was man dann aber machen muss, ist, sich Zwischenziele stecken, damit das hohe Ziel durch die Etappen kleiner wird. Das Hauptproblem ist dann aber, dass man die grossen Ziele nicht erreicht, weil man irgendwo auf dem Weg entschieden hat, das Ziel zu verlassen und abzubrechen.

Manchmal verlässt man das Ziel, weil man merkt, dass man es nicht mehr will. Und manchmal, weil es einem zu streng ist, weil es zu viel ist – und dann muss man neue Wege suchen, dass man auf das Ziel ausgerichtet bleiben kann. Das hat auch mit innerer Stärke zu tun.

Was ist denn ein erfolgreicher Weg, wie ich mich neu orientieren möchte, wenn ich ein bestimmtes Ziel erreichen möchte – wie mache ich das am besten?

Wenn man wirklich eine Neuorientierung hat, dann würde ich empfehlen, dass man aufschreibt, wo die Neuorientierung hingeht. Dass man überlegt, wie es ist, wenn man es erreicht hat, wie es sich anfühlt und was die Auswirkungen sind – und ob man es überhaupt will. Und wenn ich dann Ja sage, dann muss ich mir überlegen, was meine Widerstände sind, wie ich ihnen begegnen kann; was meine Stärken sind und wie ich sie noch mehr fördern kann. Und wenn ich mir dann Zeit gebe – und ganz wichtig – eine gute Scheiterungskultur habe, dann kann ich die Ziele erreichen.

Die Scheiterungskultur ist sehr wichtig, weil man ja auf dem Weg zum Ziel immer wieder Niederlagen erlebt, und wenn man mit diesen positiv motivierend umgeht, dann geht man weiter.

Und woran liegt es, wenn wir das jetzt aufnehmen, dass Menschen dieses Scheiterungskultur nicht so in sich haben, und dann eben aufgeben?

Auf der einen Seite ist es erziehungstechnisch, je nachdem, was man mitbekommen hat. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass man vielleicht merkt, dass man sich Ziele gesteckt hat, die man nicht erreichen kann – und man hat nicht den Willen und die Geduld, auch wenn man es nicht kann, es trotzdem lernen zu wollen. Oder man merkt, während dem man scheitert, dass man es vielleicht doch nicht so will. Das typische Beispiel ist Rauchen: Man will aufhören zu rauchen – das sind wahrscheinlich Millionen von Menschen, die jedes Jahr mit Rauchen aufhören wollen – und dann hält es einen Monat und dann merkt man, jetzt müsste ich mich anstrengen, und dann hat man das Gefühl «aber eigentlich will ich das ja gar nicht», weil man nicht wegen sich aufhört zu rauchen, sondern aus einer falschen Motivation. Das heisst natürlich nicht, dass jeder, der wieder aufhört zu rauchen, es eigentlich nicht will, sondern vielmehr, dass mit Rauchen aufhören sehr schwierig ist. Und da braucht es wirklich einen überzeugenden Willen.

Darum werden auch sehr viele Neujahrsvorsätze nicht eingehalten, weil man sich gar nicht darüber Gedanken macht, ob man das wirklich will. Also das sind dann so Neujahresvorsätze wie «ich mache mehr Sport, ich esse gesünder, ich rauche nicht mehr, ich schaue weniger Fernsehen, ich gehe mehr spazieren» – und man sagt sich, dass das ja alles gesunde Dinge sind, die man ja will. Und dann merke ich aber, dass ich eigentlich gar nicht mehr spazieren gehen will; gesund ernähren will ich mich und mache das auch, aber andere Dinge nicht. Und das ist für mich der Hauptgrund, wieso viele Neujahrsvorsätze nicht funktionieren, weil man sie eigentlich gar nicht will, sondern weil man einfach denkt, dass es noch nett zu haben wäre  – und bei der Umsetzung merkt man bei einigen Dingen, dass man sie gar nicht mag.

Also ist es häufig so, wenn man Ziele nicht erreicht, dass es dann Ziele sind, die mehr auf eine Aussenwirkung abzielen, im Sinne «ja, es wäre doch noch gut, man sollte doch… », vielleicht wird einem das auch von Freunden empfohlen, weil die das gut finden, aber ich will das eigentlich gar nicht und mach das dann so halbherzig…

Genau. Und das sind in der Regel die Ziele, die wir dann auch abbrechen, weil wir sie gar nicht wirklich wollen, die wir von einer Aussenmotivation subtil untergeschoben bekommen. Denn es würde ja kein Mensch sagen «Ich will mich nicht gesund ernähren, ich will nächstes Jahr 10 Stunden mehr TV schauen, ich bin mehr am Handy» – das sind alles Dinge, bei denen die Gesellschaft irgendwo durch sagt «man sollte vielleicht ein wenig Digital-Detox machen, vielleicht gesünder ernähren, sich mehr bewegen» – und das sind ja alles Dinge, die auch gut sind, die wir ja auch grundsätzlich wollen, aber vielleicht manchmal nicht so stark wie man es wollen müsste und dann machen wir es nicht. Die Ziele, die wir wirklich wollen, erreichen wir oft. Es ist einfach so, dass wir uns im Leben nicht so stark wirklich über die Ziele Gedanken machen und diese konsequent verfolgen, Ziele, die wir wirklich aus tiefstem Herzen wollen.

Häufig entstehen Ziele aus einer Unzufriedenheit, man merkt, dass läuft nicht so gut jetzt gerade in meinem Leben, ich möchte das verändern – ist dann aber häufig ja in dem Moment genau in der Situation, wo’s ja eben schwierig ist und nicht so einfach. Wie kann man sich da auf den Weg machen?

Ich glaube, da ist es ganz wichtig, wenn man eine Gewohnheit ändern will, die nicht gut ist, dass man sich da vielleicht zwei Jahre Zeit gibt. Erfahrungsgemäss wollen Menschen langjährige Gewohnheiten zu schnell ändern. Und ich nehme nochmals das Rauchen als Beispiel: Da raucht jemand 10 Jahre und dann will er von heute auf Morgen aufhören. Das wird in den wenigsten Fällen langfristig gesehen klappen. Und da hat sich in der Praxis etwas sehr bewährt, das im ersten Moment vielleicht ein wenig komisch klingen mag: Ich frage dann immer, wieviel Zigaretten rauchst du pro Tag? Und da sagt jemand – eine Packung, 20 Zigaretten. Und dann sage ich: Ok, ich mache Dir einen Plan, wie Du mit Rauchen aufhören kannst. Im ersten Monat rauchst Du 20 Zigaretten pro Tag. Und dann denkt er – aber ich will ja aufhören zu rauchen. Aber ich sage: Im ersten Monat stabilisieren wir deinen Zigarettenkonsum auf 20. Im nächsten Monat rauchst du pro Tag eine Zigarette weniger. Und dann ist es so, dass er Monat pro Monat eine Zigarette am Tag weniger raucht – er merkt es gar nicht und es dauert dann zwar 20 Monate, das sind eineinhalb Jahre, und das klingt jetzt vielleicht nach einer langen Zeit. Aber die meisten Menschen, die ich kenne, die versuchen seit Jahren aufzuhören. Und wenn man seit Jahren versucht aufzuhören, dann kann man sich ja auch eineinhalb Jahre Zeit nehmen, um so langsam aufhören zu rauchen, dass man es nicht spürt. Und Veränderungen sind immer dann erfolgreich, wenn man entweder keine Wahl hat, d.h. wenn der Arzt kommt und sagt: «Wenn Sie nicht aufhören zu rauchen, dann sterben Sie», dann sind die meisten Leute sehr motiviert…. Oder man macht es wirklich langsam, so dass man es selber gar nicht merkt. Und ich sage, wenn man eine Zigarette pro Tag weniger raucht, die meisten merken es gar nicht. Und hier gibt es noch einen Trick, dass man sich ein Zigarettenetui kauft und dass man dann jeden Morgen die Zigaretten abzählt, weil psychologisch gesehen, kann man nicht 1-2 Zigaretten in einer Packung drin lassen. Man ist dann wie verführt, die Packung fertig zu rauchen. Und ich habe zwar selber nie geraucht, aber ich kenne sehr viele Raucher, und ich habe, wenn ich mich zurückerinnere, so viele Raucher sagen gehört: Ah ja, ich habe ja noch zwei Zigaretten, die rauche ich jetzt noch kurz. Und wenn man es abzählt, dann hilft das eigentlich, das Ziel zu erreichen.

Wenn wir zu den Neujahresvorsätzen zurückkehren wollen: Scheitern die denn genau aus diesem Grund, dass man eben zum Beispiel sagt: Ja, es ist Januar, die Festtage sind vorbei, irgendwann kommt der Sommer, und dann denkt man «oh, Bikinifigur» – jetzt irgendwie in zwei Monaten 10 Kilo!

Genau – und das wird nicht funktionieren. Also es gibt Leute, bei denen das funktioniert, aber bei den meisten nicht. Darum werden ja auch im Januar die meisten Fitnessabos abgeschlossen, die dann auch meistens nicht gebraucht werden, weil man zu schnell zu viel will. Würde jetzt jemand sagen: Ich will in einem Jahr oder in zwei Jahren 10 Kilo abnehmen, und er trainiert und es läuft gut, dann kann es aber auch sein, weil er sich nicht unter Druck setzt, dass er bis zum Sommer 10 Kilo abgenommen hat. Aber es ist dann ein Nebeneffekt. Also man sollte sich nicht auf das Ziel fokussieren, sondern auf den Weg, den es braucht, um das Ziel zu erreichen, damit man da in eine neue Gewohnheit hineinkommt, und dann macht es auch keinen Sinn, wenn man vorher keinen Sport gemacht hat, dass man von einem Tag auf den andern fünf Mal pro Woche ins Fitnessstudio geht, sondern dann beginnt man lieber mit einmal bis zweimal in der Woche. Und wenn man nach drei bis vier Monaten merkt, dass es einem Freude macht und man Lust hat, noch einmal mehr zu gehen, dass man sich da wirklich Zeit gibt, sich auf Veränderungen einzustellen. Denn wenn man zu schnell verändert, dann löst das einen Druck aus, dann gibt das eine Überforderung, das ist anstrengend – und dann bricht man ab, weil das weniger anstrengend und auch entspannender ist.

Jetzt gibt es ja Situationen im Leben, die sehr belastend sein können für Menschen – eine Arbeit, die sie überfordert oder überhaupt keinen Spass mehr macht, fehlende Wertschätzung und die wollen sich verändern, aber gerade in der aktuellen Situation ist das ja nicht ganz so einfach. Wie können die sich auf den Weg machen, dass sie in einer Situation, die sie nicht aktiv von heute auf morgen ändern können, doch irgendwie einen Silberstreifen am Horizont sehen?

Ich glaube auch da ist es vielleicht bitter zu sagen, dass auch hier die Veränderung nicht schnell kommen wird. Darum hat man ja die Illusion – ich mach mal Lotto und dann gewinne ich eine Million oder 10 Millionen im Lotto und dann kann ich endlich mein Leben verändern. Und wenn man vielleicht 10 Millionen im Lotto gewinnt, dann hat man Möglichkeiten, sich zu verändern – es wird aber wahrscheinlich auch dann nicht wirklich funktionieren, weil Veränderung unter allen Umständen wirklich Zeit braucht.

Der Mensch ist ein extrem komplexes Wesen, der unglaublich viel kann und lernen kann, aber der Preis dafür ist, dass wir langsam lernen. Wenn ich mir nur vorstelle, wie lange es dauert, bis ein junger Mensch perfekt mit Messer und Gabel essen kann: Das kann man mit 10 Jahren noch nicht, das kann man mit 12 Jahren noch nicht. Klar kann man dann gut mit Messer und Gabel essen, aber noch nicht perfekt in dem Sinne. Es gibt hier ganz viele Beispiele. Oder wie lange brauchen wir, bis wir schreiben können, bis wir es fertig bringen, einen guten Text wiederzugeben? Dafür gehen wir jahrelang in die Schule und die, die vielleicht hier eine Begabung haben, können das am Schluss sehr gut, aber wir brauchen Zeit – und das ist das, was unser Problem ist bei Veränderungen, dass wir in der Regel nicht für schnelle Veränderungen gemacht sind. Und wenn man sich schnell verändert und man dann zurückschaut, dann haben sich diese Veränderungen, die schnell waren, schon Jahre angekündigt. Und dann hat man am Schluss die schnelle Veränderung nur noch als finales Verhalten gemacht.

Also dass man eigentlich sagt, man muss gewisse Sachen auch akzeptieren, dass sie aktuell so sind, was aber nicht heisst, dass ich nicht daran arbeiten kann, dass es eine Situation wird, wie ich sie mir vorstelle.

Absolut. Und vielleicht hilft hier eine Zahl: Eine Veränderung braucht zwischen 1-3 Jahre, je nachdem, wie tief sie geht. Und wenn man sich diese Zeit gibt und diese Zeit auch akzeptiert, kann es sein, dass man paradoxerweise schneller ist. Das heisst, je mehr Zeit man sich gibt, desto schneller ist man, und je weniger Zeit man sich gibt, desto länger braucht man.

Auch so, dass man sich dann eben häufig unter Druck setzt, vor allem selber?

Genau. Und dann verlangt man von sich zu viel und das bewirkt dann, dass man gar nicht anders als scheitern kann.

Dann müsste man das eigentlich umdefinieren: Nicht Neujahresvorsatz, sondern Jahres – oder Jahresvorsätze….

Genau. Eigentlich müsste ich sagen: Was sind in diesem Jahresumbruch meine Dreijahres-Vorsätze. Und wenn ich dann die Dreijahres-Vorsätze mache, dann gehe ich mit einem ganz anderen Mindset dahinter, ich gebe mir die Zeit, ich gebe mir Zeit zu scheitern, neu zu beginnen, meine Ziele zu verändern, mein Verhalten zu verändern – und so kann ich etwas ohne Problem erreichen. Wenn mir jetzt jemand sagt, ich will mich jetzt mehr bewegen und das will ich ab Januar, dann ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass er es nicht schafft. Und wenn er sagt, ich habe ein Dreijahresziel, mich mehr zu bewegen und in drei Jahren will ich dann regelmässig dreimal in der Woche joggen gehen, dann bin ich überzeugt, dass er es zu 100 Prozent erreichen wird.

Jetzt gibt es aber auch die, die sagen – das ist die andere Fraktion, sage ich jetzt mal – ich nehme mir sicher nichts vor für Neujahr, das klappt eh nicht, ich setze mir gar keine Ziele, denn scheitern will ich nicht.

Also grundsätzlich kann man sich im Leben verhalten und machen was man will. Ziele haben oder nicht. Ich glaube, das Verhalten ist schlussendlich entscheidend. Ich kenne viele Leute die sagen, sie hätten keine Ziele, aber die laufen die ganze Zeit im Leben weiter, die verändern sich – und ich glaube, entscheidend ist nicht, ob man sagt «Ich habe Ziele oder nicht», sondern wie man sich im Leben verhält. Und das ist das, was ich zu Beginn gesagt habe: Es geht nicht darum, ob ich mir jetzt an Neujahr Ziele setze, sondern die Frage ist, ob ich das auch unter dem Jahr mache. Und wenn ich mir auch unter dem Jahr immer wieder Ziele setze und mich frage, wo ich stehe, wo ich hinwill, ohne dass mich sich dabei selber die ganze Zeit unter Druck setzt, dann kommt man auch vorwärts.

Und wenn jetzt jemand sich Ziele wirklich deshalb nicht setzen will, weil er Angst hat, er könnte scheitern. Woher kommt diese Angst Deiner Meinung nach?

Also ich glaube, das Wichtigste ist, dass man wirklich auch dazu steht, dass man keine Ziele erreichen kann, ohne zu scheitern. Das wird nie funktionieren. Scheitern gehört zum Prozess des Zielerreichens dazu. Und Menschen die Angst haben vor dem Scheitern, sehen scheitern als Verlust anstatt als Teil des Lernprozesses. Ich nehme ein Beispiel: Wenn ich jetzt mit dem Basketball versuchen will, Körbe zu treffen. Dann werden wahrscheinlich zu Beginn von zehn Würfen acht daneben gehen, vielleicht sogar neu oder zehn. Und wenn ich dann ich sage mal 20’000 Würfe gemacht habe, dann – je nachdem wie talentiert ich bin – gehen 10 von 10 rein oder vielleicht auch nur 4 von 10.

Und der Unterschied von Talent zu keinem Talent ist, dass jemand, der talentiert ist, weniger Versuche braucht, bis er es kann, und jemand der weniger talentiert ist, braucht mehr versuche – er scheitert zwar mehr; aber der, der nicht aufhört ist am Schluss der, der gewinnt.

Also nicht zu früh aufgeben…

Nein, denn wenn man zu früh aufgibt, dann erreicht man das Ziel nicht und beginnt innerlich zu resignieren. Aber man darf Ziele aufgeben, wenn man auf dem Weg merkt, dass man es gar nicht erreichen will. Wenn man aufgibt, weil man das Gefühl hat, dass man es nicht schafft, finde ich das persönlich schade – da würde ich eher empfehlen, dass man die Ausgangslage verändert, das eigene Verhalten und dann schaut, ob man das Ziel so erreichen kann. Das wäre wie wenn jemand sagt: «Ich will den Berg erklimmen!» – und dann kommt er an einen Punkt, wo er sagt: «Hier geht’s nicht weiter!» Und da wäre meine Aussage: «Dann geh zurück und nimm einen anderen Weg und vielleicht kommst Du da hoch.» Und der, der immer neue Wege geht, der scheitert zwar immer wieder, aber der erreicht auch seine Ziele.

Du sagst, es braucht scheitern, um das Ziel zu erreichen: Wie arbeitest Du jetzt mit einem Menschen, der zwar seine Ziele hat, auch ab und zu auf dem Weg scheitert, aber dann irgendwie in eine Spirale kommt, dass er sagt «ich kann ja nichts» und sich als Versager fühlt.

Hier kann ich keine pauschale Aussage machen, denn jeder Mensch funktioniert anders. Aber grundsätzlich braucht man, wenn man Ziele erreichen will Rückhalt, emotionale Stabilität und Widerstandsfähigkeit, damit man diese Niederlagen besser und schneller verarbeiten kann, sie nicht persönlich nimmt. Und spannenderweise kommt erst dann ab diesem Punkt das Selbstvertrauen und das Selbstbewusstsein. Dabei stehen Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein weniger im Vordergrund, um Ziele zu erreichen – vielmehr die Widerstandskraft und Widerstandsfähigkeit.

Und wie unterstützt Du jemand dabei, der zu Dir kommt und sagt, dass er ein klares Ziel hat, schon ein paar Mal aufgelaufen ist und irgendwie nicht vom Fleck kommt?

Also da muss man unterscheiden: Entweder erreicht jemand Ziele nicht, weil er überfordert ist, weil er geschwächt ist, weil er verletzt wird. Und da muss man die Energien reparieren und schauen, dass die Energien wieder so funktionieren, dass er seine Ziele erreichen kann. Und wenn jemand kommt, bei dem die Energien in Ordnung sind und er eigentlich stark ist und die Ziele trotzdem nicht erreichen kann, gilt es zu schauen, welche Bereiche im Energiefeld zu wenig stark sind, zu wenig gut auf diese Ziele reagieren können und überfordert sind. Und da muss man eigentlich daran arbeiten, dass aus der Stärke heraus eine Weiterentwicklung stattfindet, so dass die Ziele erreichbar werden.

Wenn wir das jetzt zusammenfassen: Was sind für Dich die wichtigsten Punkte für einen guten Start in ein neues Jahr?

Dass man erkennt, dass es Zeit braucht, das Leben zu verändern, wenn es einem zu wenig passt. Dass im Nachhinein Dinge weniger schlimm sind als im Moment. Dass man versucht, es vielleicht ein wenig zu Bagatellisieren, was nicht heisst, dass man es nicht ernst nimmt. Und dass man sich dann Zeit nimmt, sich Gedanken darüber zu machen, was man wirklich will, wo man steht und wo man hingeht. Ich würde empfehlen, dass man nicht an Neujahr sagt: «Ich setze mir dieses oder jenes Ziel», sondern, dass man sagt: «Ich nehme mir im Januar Zeit, mir über meine Ziele Gedanken zu machen, damit man nicht leichtfertig Ziele setzt, die einem vielleicht gar nicht dahin bringen, wo man will. Und jetzt kann ich noch eine persönliche Interpretation der Midlife-Crisis geben: Eine Midlife-Crisis hat man dann, wenn man alle Ziele erreicht oder auf dem Weg ist, diese zu erreichen, und dann merkt, dass man diese Ziele gar nicht wollte. Und dann gibt es einen Zusammenbruch und aus dem Zusammenbruch dann wieder eine Neuorientierung.

Was ich damit sagen will: Ziele müssen wirklich dahinführen, wo man hinwill, und wenn man das nicht macht, dann wird man unglücklich bei der Umsetzung und dem Erreichen der eigenen Ziele.

Also wissen, was man in diesem Jahr erreichen möchte….

Genau. Aber mit einem Auge noch weiter in die Zukunft schauen, weil Ziele ja in der Regel mehr als ein Jahr dauern, bis man sie wirklich umsetzen kann.

Rico Brunner, 1971 in Chur, Schweiz, geboren.
Betreibt seit 1998 seine eigene Praxis in St.Gallen.
Das Ziel von Rico Brunner ist, Menschen in die eigene Kraft, Stärke und Potential zu begleiten. Er ist überzeugt, dass die Entwicklungsmöglichkeiten unendlich sind und das ist die Basis für lebenslanges Lernen und Entwickeln. Sein Ansatz: An Ursachen zu arbeiten und nicht von Symptomen ablenken zu lassen. Diese Erkenntnis hat sich in über 40’000 Sitzungen bestätigt.
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