Auf der Suche nach Methoden, um Trauma verarbeiten zu können, stoßen wir oft auf gut gemeinte Ratschläge, die uns auffordern, uns unseren tiefsten Ängsten und schmerzhaftesten Erinnerungen zu stellen. Doch was, wenn dieser Ansatz manchmal mehr schadet als hilft? Wenn uns der Versuch, verdrängtes Trauma verarbeiten zu wollen, überfordert? Heute möchte ich eine Perspektive teilen, die betont, wie entscheidend Ruhe im Heilungsprozess von Traumata ist.
Das Reizen alter Wunden
Ein Trauma zu bewältigen, gleicht der Aufgabe, eine Schürfwunde heilen zu lassen. Übertriebene Pflege verhindert, dass die Schürfwunde in Ruhe heilen kann. Genauso kann zu viel direkte Konfrontation mit dem Trauma – das beständige Reizen und Wiederaufreißen alter Wunden – eine Überforderung für unser gesamtes System darstellen. Wie bei einer physischen Wunde, die ihre Ruhe braucht, um zu heilen, benötigt auch ein seelisches Trauma Abstand und Zeit zur Selbstheilung.
Was den Heilungsprozess von Trauma stört
Sich selbst Druck zu machen und sich zu einer Auseinandersetzung mit dem Trauma zu zwingen, kann zu einer Retraumatisierung führen. Genauso führt ständiges Nachdenken und Sprechen über ein Trauma dazu, dass die seelische Verletzung nicht zur Ruhe kommt und wie eine offene, entzündete Wunde anfällig für weitere Verletzungen ist. Dies führt nicht nur zu einem Wiederaufleben des ursprünglichen Schmerzes, sondern kann die Wunde noch tiefer und schmerzhafter machen. Was kannst du stattdessen tun, um den Heilungsprozess von Traumata zu unterstützen?
Nützliche Tipps im Umgang mit Traumata:
• Vermeidung von Zwang und Druck: Setze dich nicht selbst unter Druck und zwinge dich nicht zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Trauma.
• Dosierte Bearbeitung: Achte darauf, dass die Auseinandersetzung mit dem Trauma in einer angemessenen Dosis und Intensität erfolgt, um Überforderung zu vermeiden.
• Ruhe und Erholung: Gib dem Trauma die nötige Ruhe, um abheilen zu können, ähnlich wie eine Schürfwunde, die nicht ständig gereizt werden sollte.
• Vermeidung von Retraumatisierung: Vermeide es, das Trauma immer wieder aufzuwärmen, da dies zu einer erneuten Entzündung und Reizung führen kann, was den Stress und die Belastung erhöht.
• Aufbau innerer Stärke: Arbeite an deiner inneren Stärke und Resilienz, ohne das Trauma durch ständige Aufmerksamkeit zu vergrößern.
Die Stärkung von innerer Ruhe und Resilienz
Ein Trauma zu heilen erfordert, dass wir eine Stärke in uns selbst aufbauen, die uns die nötige Ruhe gibt, damit umzugehen - ohne es ständig zu reaktivieren. Es geht darum, das Trauma weder zu ignorieren noch sich darin zu verlieren, sondern einen Mittelweg zu finden, der Heilung ermöglicht.
Es ist in Ordnung und manchmal hilfreich über das eigene Trauma zu sprechen. Worauf es jedoch ankommt, ist die Intensität, mit der dies getan wird – wie oft und die Art und Weise. Eine bewusste und dosierte Auseinandersetzung kann heilsam sein. Indem wir zugleich Resilienz, also innere Stärke, aufbauen und der seelischen Verletzung Zeit geben, ohne Druck und Zwang, kann sie Stück für Stück heilen.
Fazit
Die Heilung von Trauma erfordert Geduld, Verständnis und vor allem die Erkenntnis, dass Ruhe nicht Gleichgültigkeit bedeutet, sondern eine notwendige Bedingung für die Wiederherstellung unserer inneren Stärke und Resilienz ist. Indem wir lernen, unsere Traumata mit Bedacht und in einem heilsamen Maße zu bearbeiten, öffnen wir den Weg für eine tiefere und dauerhafte Heilung.