Was genau zeichnet das für dich aus?
Ein zuversichtlicher Mensch ist jemand, der genügend Kraft und Stärke hat, um Probleme zu bewältigen. Ein zuversichtlicher Mensch ist aber auch jemand, der Erfahrung hat und gemerkt hat, dass er schon einige Krisen durchlaufen hat und dem Leben und dem, was ihm begegnet, gewachsen ist. So ist er dann auch bereit, sich dem zu stellen.
Ich glaube ausserdem, dass ein zuversichtlicher Mensch jemand ist, dem es bewusst ist, dass es nicht um die Aussichten geht, sondern darum, sein Bestes zu geben und sich dadurch zu entwickeln, egal, wie die Aussichten sind. Dann kann er auch korrigieren, wenn etwas nicht mehr gut ist und die Probleme dynamisch lösen. So macht er dann die Erfahrung, dass er die meisten Probleme eigentlich lösen kann.
Man könnte es auch so sagen, dass zuversichtliche Menschen dynamische Menschen sind, die mit Situationen auf unterschiedliche Art und Weise umgehen können. Sie haben ein breiteres Spektrum als andere, nicht so zuversichtliche Menschen, die etwas versuchen und denken, wenn es nicht klappt, dann geht es nicht.
Also meinst Du, dass ein zuversichtlicher Mensch das Leben eigentlich eher als Freund betrachtet oder als Erfahrungsfeld? Und ein weniger zuversichtlicher Mensch es eher als grosse Herausforderung ansieht?
Ich glaube nicht, dass ein zuversichtlicher Mensch das Leben als Freund betrachtet. Ich würde es eher so formulieren, dass er das Leben und das, was passiert, als Herausforderung sieht, die bewältigt werden muss – und nicht als Feind oder Freund.
Ein zuversichtlicher Mensch fasst es eher so auf, als dass es eben das Leben ist, das passiert und mit dem er jetzt lernen muss, umzugehen, denn wenn er es nicht tut, ändert es sich nicht. Zuversichtliche Menschen sind aber auch Menschen, die das Bedürfnis haben, Dinge zu lösen, zu verändern, zu verbessern und zu entwickeln. Und darum gibt es auch den Ausdruck des unverbesserlichen Optimisten, zu dem alle sagen, das geht nicht und er sagt, doch, das geht. Und nach zehn Jahren fragen sich alle, wie er das hinbekommen hat und er weiss, dass er es einfach zehn Jahre versucht hat und es jetzt geklappt hat.
Ist ein zuversichtlicher Mensch also auch bereit, zu scheitern?
Ich glaube, ein zuversichtlicher Mensch scheitert nicht, sondern probiert neue Wege aus. Und weil er neue Wege ausprobiert, empfindet er die Wege, die nicht funktionieren, nicht als Scheitern, sondern als zu wenig optimal, zu wenig gut. Vielleicht könnte man sogar sagen, dass zuversichtliche Menschen nicht unbedingt in Kategorien wie Erfolg oder Scheitern denken, sondern eher Möglichkeiten und Situationen sehen. Jeder Erfolg ist ja auch mit Niederlagen verbunden und jede Niederlage mit Erfolg.
Und wenn jetzt jemand das eben nicht so sieht, sondern mehrheitlich nicht sehr zuversichtlich ist, was können Gründe dafür sein?
Der Hauptgrund, der mir in der Praxis aufgefallen ist, besteht darin, dass die fehlende Zuversicht bei Menschen entweder aus der Erfahrung herauskommt, weil sie im Leben zu oft gescheitert sind oder aber, weil sie verletzt wurden oder ihnen die Stärke fehlt, Probleme anzugehen. Und der dritte Punkt, der aus meiner Sicht auf die meisten Menschen zutrifft, ist, dass vielleicht schlichtweg durch zu wenig Bereitschaft zu wenig Übung darin besteht, Dinge aus vielen verschiedenen Situationen und Sichtweisen heraus lösen zu können, um dann so zu neuen Möglichkeiten zu finden.
So, dass man also die Möglichkeiten erst gar nicht sieht?
Genau. Für mich ist dies hier ein gutes Beispiel: Ich koche sehr gerne und weil ich sehr viel unterwegs und am Arbeiten bin, haben wir nicht immer Zeit, einzukaufen. Daher habe ich mir eine Fähigkeit erarbeitet, wenn zuhause nichts zum Essen da ist, dass ich dann irgendwelche Reste nehme und zusammenkoche und es dann eigentlich ein sehr leckeres Essen gibt. Daher habe ich, auf das Kochen bezogen, die Zuversicht entwickelt, egal, was ich zuhause habe, ich bringe immer etwas hin, ich kann immer etwas kochen, was dann auch lecker schmeckt. Und ich glaube, dass Zuversicht auch ganz viel damit zu tun hat, dass man sich dem stellt, was man hat und auch damit arbeitet – und nicht an dem verzagt oder zerbricht, was man nicht hat.
Hat das also auch mit einer gewissen Zufriedenheit zu tun?
Mit Zufriedenheit, ja, das kann man sagen. Aber vielleicht auch mit einer gewissen Akzeptanz der Realität. Ich glaube, zuversichtliche Menschen sind gewohnt, aus dem, was sie haben, das Bestmögliche herauszuholen. Und wenn man das übt, dann wird man darin natürlich immer besser.
Wie kann man das üben?
Indem man Realitäten akzeptiert und sich sagt, dass man jetzt aus dem, was man hat, das Beste macht. Und das ist dann wieder wie bei dem Beispiel mit dem Kochen. Wenn ich die besten Zutaten und einen ganzen Tag Zeit habe, dann ist es sehr einfach, etwas Gutes zu kochen. Wenn ich aber keine Zeit und keine Zutaten habe, dann ist es sehr schwierig, etwas zu kochen. Und wenn ich mich dem Schwierigen stelle, ohne daran zu zerbrechen oder zu denken, dass es nichts gibt, lerne ich, aus wenig etwas zu machen und auch, aus wenig viel zu machen.
Kann es auch sein, dass man zu hohe Erwartungen an sich selbst stellt und dies die Zuversicht nimmt? Gibt es da irgendeinen Zusammenhang für dich?
Ich glaube, es hat nicht unbedingt mit zu hohen Erwartungen zu tun, sondern mehr damit, dass man es sich nicht vorstellen kann oder man sich nicht auf die Situation einlassen mag, bei der man eigentlich nicht an einen guten Ausgang glaubt.
Ich nehme nochmal das einfache Beispiel mit dem Kochen. Ich gehe zum Lebensmittelschrank, mache die Türen auf und es ist nichts oder fast nichts darin. Ein bisschen muss man ja haben, um kochen zu können. Und dann denke ich, oh, mein Gott, ich habe nichts zu essen. Aber was heisst das schon, nichts zu essen zu haben? Es heisst eher, dass ich irgendwo noch eine Packung Nudeln, eine Büchse mit Tomaten oder eine Dose Bohnen habe – und im Kühlschrank noch eine einsame Zitrone. Das kann ich zusammen mit Gewürzen, die ich noch habe, zubereiten. Und dann habe ich ein frisches, leckeres Mittagessen. Das ist natürlich nicht dasselbe, wie ein Einkauf, auf den ich mich vorbereitet habe. Aber aus dem, was ich hatte, habe ich etwas Leckeres gemacht.
Ich glaube, zuversichtlich zu sein, heisst auch, dass ich die Realität akzeptiere und sehe, dass ich das habe, was ich habe und auch die Möglichkeiten wahrnehme, die ich habe. Und dann versuche ich, diese so gut zu kombinieren, dass ich das Beste herausholen kann, was machbar ist. Ich glaube, das ist es, was Zuversicht ausmacht.
Und wenn du jetzt mit jemandem arbeitest, wie bringst du ihn auf diese zuversichtliche Bahn?
Das kommt natürlich darauf an, ob ich im Gespräch, in der Praxis oder mit der Fernbegleitung mit jemandem arbeite. Bei der Fernbegleitung geht es ganz klar darum, Verletzungen herauszulösen und daran zu arbeiten, dass seelische, negative Erlebnisse, überwunden werden können. Und auch darum, am Selbstvertrauen und am Selbstwert zu arbeiten, so dass man beginnt, sich selber mehr zuzutrauen.
In der Fernbegleitung geht es mehr in diese Richtung und das ist sehr effizient. In der Beratung, die dann vielleicht auch eher eine Begleitung zur Fernbegleitung sein kann, da geht es mehr darum, den Klienten darauf aufmerksam zu machen, mit dem, was er hat, zufrieden zu sein. Auch, wenn es nicht zufriedenstellend ist. Es geht darum, aus dem, was er hat, etwas zu machen und dann auch zu versuchen, neue Möglichkeiten und neue Variationen daraus zu entwickeln.
Da wir heute so oft übers Kochen gesprochen haben, nehme ich das nochmals als Beispiel: Man kann fünf oder zehn Zutaten haben und zehn Köche. Bei drei bis vier Köchen wird es nicht lecker schmecken und bei einem oder zwei von diesen zehn Köchen, den kreativsten, wird man sich fragen, wie hat er das aus diesen zehn Lebensmitteln gekocht, wie geht das?
Ich glaube, zuversichtlich zu sein, hat ganz viel mit Übung zu tun und damit, sich der Situation und der Realität zu stellen, diese zu akzeptieren und daraus das Beste zu entwickeln, was möglich ist.